Abschluss des PhD-Programms / Completion of the PhD-Program: September 2020
Betreuung / Supervision:
Rainer Zendron
Counter-Research diskutiert anhand von exemplarischen Fallbeispielen, darunter Arbeiten von Amar Kanwar, Ernesto Neto, Nabil Ahmed, Jana Winderen und Susanne M. Winterling, die Herausforderungen, mit denen ökologisch-künstlerisch Forschende ringen, wenn die „anthropologische Maschine des Humanismus“ auf den planetaren Ausnahmezustand zusteuert. Paradoxerweise dient den besprochenen Künstler*innen der düstere erdsystemische Wendepunkt als Anlass für fruchtbare Spekulationen und transformative Interventionen, um weltbildende Zukunftsperspektiven zu erarbeiten. Sie registrieren nicht nur Vorzeichen, sammeln Evidenzen und zeichnen Ungerechtigkeiten auf, vielmehr fordern sie eine Revision von forschenden Arbeitspraktiken und ein Neuverfassen der Episteme. Wie kann diese veränderte Forschung aussehen? Was ist anderes Wissen? Lässt sich eine gegengeschichtliche Alterität der Forschung denken – die einer Gegenforschung womöglich –, die Zweifel, unterdrückte Ambitionen, ausgegrenzte Lebenswelten und verschüttete Wissenstraditionen fördert?
Die Arbeit argumentiert, dass künstlerische Forschungspraxis – was erforscht wird und wie, unter wessen Autorität und Wissensregimen und um welcher Gemeinschaften willen – unter dem Druck sich verschärfender künstlerischer und theoretischer Anfechtungen und der Erweiterung des Kunstfelds sich gegenläufig zu den eingesessenen Forschungsparadigmata entwickelt hat – und dies in einem Ausmaß und einer Vehemenz, die der Bezeichnung einer Gegenrecherche gerecht werden. Gegenrecherche ruft daher zu einer transformativen und antagonistischen Praxis des Forschens, Schreibens und Ausstellens auf. Mit dem Anliegen, alternative Weltentwürfe und antirassistische und antispeziesistische Potentiale im Anthropozän zu stärken, spezifiziert Gegenrecherche den ausgrenzenden Charakter gegenwärtiger Macht- und Wissensgefüge und stört die Symmetrien von Leben und Nichtleben, Subjekt und Objekt, Selbsterfahrung und Fremddarstellung – bequeme Annahmen, die sich nicht sauber auf andere Lebensformen übertragen lassen.
Von posthumanistischen und dekolonialen Haltungen sowie einem geoästhetischen Vorstellungsvermögen geprägt, zeigen die ausführlich behandelten Arbeiten die jeweils unterschiedlichen Grenzen und Möglichkeiten auf, die auftreten, wenn sich die widerspenstigen Figuren des Planetaren, Tierischen, Gegenständlichen und rassifizierten Anderen aus den verdrängten Randzonen der Geschichte ins Zentrum der forschenden Arbeit stellen. Diese üben, so die These dieser Arbeit, methodischen und materiellen Druck auf die Kunst des Forschens aus und schaffen Raum für ökozentrische und pluri-epistemische Verheißungen, die aus den Erfahrungen und Angeboten von Dekolonialität, Indigenität und Kosmopolitik schöpfen. Wenn die Trennlinie zwischen dem Anthropos und dem Rest des durch menschliches Einwirken aufgewühlten Kosmos sich auflöst, geraten kategorische Annahmen ins Schwanken.
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Susanne M.Winterling Glistening Troubles, 2017 Co-commissioned by Contour Biennale 8, TBA21–Academy, Alligator Head foundation TBA21–Residency, Henie Onstad Kunstsenter (HOK), and the Institute of Contemporary Art, University of Pennsylvania with additional support by the Research Fund of Oslo National Academy of the Arts Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Collection © Susanne M. Winterling