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PRESSEAUSSENDUNG

Ver/störende Orte: eine Tagung wirft Fragen über den Umgang mit NS-kontaminierten Gebäuden auf

Linz, am 5. November 2021

Wie geht man mit Gebäuden um, die historisch durch die Geschichte des Nationalsozialismus belastet sind? Die Frage sorgt auch 76 Jahre nach dem Ende der NS Herrschaft immer wieder für Kontroversen. Eine Doppelkonferenz von Kunstuniversität Linz, Haus der Geschichte Österreichs und Universität Innsbruck soll Diskussionsstoff liefern.

Im Diskurs über den Umgang mit NS-kontaminierten Bauten kommt es häufig zu Konflikten. Einerseits besteht die Notwendigkeit zu gedenken, auch hat die Gesellschaft Bildungsaufgaben zu erfüllen. Andererseits gibt es praktische Anforderung, die Gebäude zugänglich zu machen – und vielfach besteht die Sorge, durch Erinnerungstafeln und ähnliches einen „Wallfahrtsort“ für Nazis zu schaffen. Das Geburtshaus von Adolf Hitler in Braunau am Inn ist nur eines von vielen Beispielen, es wird ohne sichtbares Gedenken umgebaut, die in der NS-Zeit errichteten Wohnhäuser („Hitlerbauten“) in Linzer Stadtteilen wie Bindermichl oder Urfahr sind ein anderes Symbol für den schwierigen Umgang mit NS-kontaminierten Bauten: Hier gibt es keinen weit sichtbaren Erinnerungsmarker, der auf die Greueltaten der Nazis hinweist. Unweit der Kunstuni Linz gibt es noch einen „ver/störenden Ort“: Ein Balkon, auf den Adolf Hitler seine erste Rede nach dem Einmarsch hielt.

Zwischen Verdrängung und Ratlosigkeit gibt es Gründe genug, um sich mit dem Thema der NS-kontaminierten Orte zu beschäftigen: Die Kunstuniversität Linz hat deshalb gemeinsam mit dem Haus der Geschichte Österreichs (HdGÖ) und der Universität Innsbruck eine Doppelkonferenz initiiert. Das Konzept kommt von Karin Harrasser (Vizerektorin für Forschung an der Kunstuni), Monika Sommer (Direktorin am Haus der Geschichte) und Dirk Rupnow (Dekan der philosophisch-historischen Fakultät der Uni Innsbruck). Im Rahmen von Ver/störende Orte (10.-12. November Linz, bis 6. November Innsbruck) wird über „Interventionen in Monumentalarchitektur“ genauso diskutiert wie über „künstlerische und zivilgesellschaftliche Initiativen“, um unbequeme Denkmäler neu zu gestalten. Arne Cornelius Wasmuth, Kulturwissenschafter und Denkmalpfleger, wird über die Stiftung des Mäzens Egidio Marzona sprechen (12. November, ab 10 Uhr), die die Saalecker Werkstätten des NS-Rassenideologen Paul Schultze-Naumburg umgestaltet. Danach diskutiert er mit Brigitte Hütter, Rektorin der Kunstuni Linz, Dirk Rupnow und Matthias Müller-Götz von der Goethe-Universität Frankfurt/Main über die Herausforderungen an Universitäten und andere akademische Institutionen. Wie sollen sie mit derartigen Bauten umgehen? Können/sollten sie mehr Umgestaltungen und Umbenennungen initiieren als bisher? Sowohl das Haus der Geschichte in der Neuen Burg in Wien, als auch die Kunstuniversität im Brückenkopfgebäude am Hauptplatz als auch die Uni Innsbruck mit dem Landhaus in Innsbruck haben sich mit dieser Frage zu beschäftigen.

Tagungsort: Kunstuniversität Linz, Glashörsaal C, 5. Stock, Hauptplatz 6, 4020 Linz.
Programm: Ver/störende Orte Teilnahme nur nach Anmeldung: helena.fabian@ufg.at. Die Tagung findet hybrid statt.

Während der Tagung können die zum Thema passenden Ausstellungen (durchgehend geöffnet, nach Anmeldung) "Aus der Dunkelheit" (Aktenkeller, UG) und "Kalter Hauch" (Vestibül, EG) an der Kunstuni Linz besucht werden.

Fotos

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Während Linz 2009 Kulturhauptstadt war, wurde In die Fassade des östlichen Brückenkopfbaus der Kunstuni unter der architektonischen Leitung von Gabu Heindl ein Muster geschlagen, das den Verläufen von Verschleppungen, Flucht- und Reisebewegungen der Protagonisten dieser Geschichten entspricht. Foto: GABU Heindl Architektur

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Katharina Killinger: "Auch ein Fuß wurde seiner Freiheit beraubt. 2021" (Installation mit Salz, Zucker, Zwirn, Brot, Video). Katharina Killinger beschäftigt sich in dieser Arbeit mit ausgewählten Memoiren der Widerstandskämpferin Anna Strasser gegen das NS-Regime. Im Jahr 1939 versorgte sie Häftlinge des KZ-Mauthausens mit alltäglichen Dingen und Lebensmitteln. Anna Strasser wurde im Herbst 1944 von der Gestapo wegen Hochverrats verhaftet, überlebte jedoch zahlreiche Gefängnisse und Lager. Die Künstlerin mit der Geste des Fallen lassens als Akt des Widerstands auseinander. Foto: Sengstbratl