Einjähriges Kooperationsprojekt der Bildnerischen Erziehung mit der Arbeiterkammer Oberösterreich und der Firma Siemens
Das Projekt hatte die Funktion, Studierenden der Bildnerischen Erziehung im Zuge der Lehrveranstaltung "Bereichsdidaktiken" die Möglichkeit zu bieten, in außerschulischen Bereichen Erfahrungen bezüglich der Planung und Realisation von workshopartigen Angeboten für Erwachsene zu sammeln.
In dem Projekt spielte die Frage, wie das Erfahrungspotenzial älterer Arbeitskräfte sichtbar gemacht werden kann, eine zentrale Rolle. Wichtig war zudem, Anerkennung und Wertschätzung älteren Arbeitskräften gegenüber zu fördern und diese Grundhaltung als Impuls für einen Umdenkprozess einer breiteren Öffentlichkeit zu signalisieren.
In Hinblick auf den stattfindenden demografischen Wandel in der Gesellschaft und sah man es als besondere Herausforderung an, einen differenzierten Nachdenkprozess bezüglich der gesellschaftspolitisch oft schwer zu vereinbarenden Kategorien Arbeit und Alter anzuregen. Dem Vorhaben inhärent sollte gleichzeitig der kritische Blick auf ökonomische Strukturen bzw. Dynamiken sein, die dem eigentlichen Ansinnen oft diametral entgegenstehen. Die Stärke des Projektes zeichnete sich durch den Prozess des kreativen Ausdrucks und dem wechselseitigen Austausch aller aus. Die Arbeits- und Lebenserfahrung der beteiligten älteren Arbeitnehmer der Firma Siemens, Linz, und das spezifische Wissen künstlerisch-kreativen Ausdrucks der jungen Studierenden der Bildnerischen Erziehung und der Keramik ergänzten einander. In diesem Sinne war es als interessante Herausforderung zu betrachten, sich dem Thema über dieses Pilotprojekt, das sich durch die Verbindung von Kunst, Arbeit und Generation auszeichnete, anzunehmen.
Die Lehrveranstaltungen "Bereichsdidaktiken" WS 2005/06 und SS 2007 wurden von A.Univ.Prof.Mag.art. Wolfgang Schreibelmayr und VAss Mag.phil. Barbara Strametz geleitet. Die Koordinatorin der Arbeiterkammer Oberösterreich war Mag.art. Elfi Sonnberger. Die Kontaktperson der Firma Siemens war Christian Füreder.
Das Projekt war Teil des EU-Projektes WAGE Winning Age Getting future. Näheres unter: www.wage.at
1. Spuren setzen - Spuren löschen
Arbeitnehmer von Siemens und Studierende der Kunstuniversität Linz setzten und löschten gemeinsam auf beschränktem Raum (ca. 4 m2) Spuren. Es war durch die Spielregeln ermöglicht, die Spuren der anderen zu belassen, aber auch zu überarbeiten in welcher Form auch immer. Die gemeinsame Zeichenaktion dauerte eine Stunde. Es kam zu intensiver Kommunikation in Form von grafischer Interaktion. Erstes Kennenlernen durch diese gemeinsame prozessorientierte Aktion konnte humorvoll und spannend stattfinden. Im Anschluss erfolgte eine Reflektion mit Unterstützung der Aufzeichnung per Video über eventuelle Parallelitäten zur Arbeitswelt und eventuelle Ablesbarkeit von unterschiedlichen persönlichen Verhaltensmustern während der Zeichenaktion. Im Mittelpunkt stand der Prozess und nicht das Produkt.
Idee und Moderation:
Alina Sauter
Mitwirkende:
Cornelia Hochenauer, Eva Kienesberger, Christina Schuh, Marina Ömmer, Kerstin Grabner, Stefanie Balda, Maria Anna Niedermayr, Beate Wieland, Andreas Freudenthaler, Josef Kunz, Gerhard Schmidt, Gerhard Gruber, Helmut Oberherber, Johann Ritter, Christian Füreder, Alfred Krotz, Franz Kermendi
2. Malen zur Musik
Auf langen Stoffbahnen wurden mittels Acrylfarben, Wasser, Pinsel, Rollen und Schwämmen farbige, ungegenständliche Spuren hinterlassen. Im Unterschied zur ersten Aktion wurde ausschließlich nonverbal über das Material und durch Blicke und Gesten miteinander kommuniziert. Der Platz war großzügiger gegeben. Im Hintergrund lief Musik von Mozart, in der zweiten Hälfte der Aktion wechselte man auf sanften Jazz. Die Gestaltungsmittel Farbe, Form und Rhythmus konnten sinnlich erlebt werden und unterstützten persönlichen Ausdruck, gegenseitige Ergänzung und Interaktion. Die Teilnehmenden konnten sich selber als starke Gruppe wahrnehmen im gemeinsamen bildnerischen Tun. Bei der Betrachtung des Werkes löste die Beobachtung eines sonnenuhrartigen Schattenspieles auf der Malfläche ein Gespräch über Reflexionen zum Ablauf von Zeit aus. Die gemeinsame Malaktion wurde als sehr harmonisch und verbindend empfunden. Im Vordergrund stand das gemeinsame Miteinander.
Idee und Moderation:
Andreas Freudenthaler
Mitwirkende:
Cornelia Hochenauer, Eva Kienesberger, Christina Schuh, Marina Ömmer, Alina Sauter, Kerstin Grabner, Stefanie Balda, Maria-Anna Niedermayr, Beate Wieland, Josef Kunz, Gerhard Schmidt, Gerhard Gruber, Helmut Oberherber, Johann Ritter, Christian Füreder, Alfred Krotz, Franz Kermendi
3. Neue Objekte aus alten Teilen
Mitgebrachte ausrangierte Platinen, Feuermelder, Kabel, Steckelemente, Bedienungsanleitungen etc. aus dem Arbeitsalltag der Mitarbeiter von Siemens wurden zerschnitten, verbogen, etc. und zu dreidimensionalen Objekten zusammengefügt. Dahinter stand die Idee, Gegenstände die selbst schon eine Geschichte haben aus dem Arbeitsalltag der Siemens-Mitarbeiter, die durch ihre eigene Lebens- und Arbeitsbiografie involviert sind, neu und anders zu betrachten.
Durch den Blick auf das Eigene gewinnt das Vertraute an neuer Bedeutung. Es war faszinierend zu beobachten, mit welch unterschiedlichem Blick die verwendeten Materialien von Studierenden und Siemensarbeitern betrachtet wurden die jeweilige "Programmiertheit" konnte bewusst werden. Es erfolgten Interpretationsgespräche über symbolhafte Bedeutungen von Materialien und deren Anordnungen in den gestalteten dreidimensionalen Objekten.
Idee und Moderation:
Stefanie Balda
Mitwirkende:
Maria Anna Niedermayr, Christina Schuh, Kerstin Grabner, Helmut Oberherber, Christian Füreder, Josef Kunz, Gerhard Gruber, Johann Ritter
4. Imagefotos: Jung und Alt
Diese Aktion fand genau dort statt, wo die Arbeit passiert: am Arbeitsplatz und tagtäglich. Über das Medium der Fotografie war man etwa herausgefordert, Routinen zu unterlaufen und sich zu fragen, wie kann ich das, was für mich selbstverständlich ist, auch für andere erklärbar machen. Das Foto stellt zwar einerseits nur einen kleinen Ausschnitt dar, ist aber gleichzeitig als Verdichtung und Imagebild der Arbeit/der Arbeitenden zu lesen. Diese Aktion war sowohl prozess- als auch produktorientiert konzipiert. Beim Stellen und Fotografieren von Szenen aus dem Arbeitsalltag konnten die Beteiligten den Standpunkt einer beobachtenden dritten Person einnehmen, sich sozusagen selbst über die Schulter schauen. Im Laufe der Fotoshootings wurden die Rollen, die von den unterschiedlichen Arbeitnehmern im Alltag "gespielt" werden, immer bewusster. Es kam mehr und mehr zu einem spielerischen Umgang mit den Rollen, die eingenommen werden ein Prozess des "sich selber mehr Zusehens beim Spielen" setzte durch das Fotografieren ein. Die reale "Bühne des Arbeitsplatzes" wurde durch den Blick auf das virtuelle Bild am Kameramonitor besonders sichtbar.
Idee und Moderation:
Cornelia Hochenauer, Eva Kienesberger
Mitwirkende:
Alina Sauter, Marina Ömmer, Helmut Oberherber, Christian Füreder, Franz Kermendi, Erich Schöllhammer, Gerhard Schmidt, Barbara Lach, Stefan Friedl, Strasser Gregor
5. Animationen "Wie die Arbeit läuft..."
Auch für diese Aktion wurde an den Arbeitsplätzen der Beteiligten fotografiert. In einem nächsten Schritt wurden ausgewählte Bildserien mit Unterstützung der Studierenden in gif-Animationen transferiert. Kleinteilige Arbeitsabläufe rücken ins Zentrum und erschließen sich den Betrachtenden in spielerisch-ironischer Weise. Abläufe von Bewegungen von Körpern oder Objekten in bestimmten, gerafften Zeitabschnitten werden durch die Animationen sichtbar gemacht. Welche Bewegungen führen Menschen tagtäglich aus im Arbeitsprozess? Worauf sind die Gedanken konzentriert während sich der Körper bewegt? Wie lange kann ein Mensch bestimmte Abläufe mitmachen? Der Einsatz der digitalen Medien eröffnet einen erweiterten Blick auf die eigenen Alltagshandlungen. Die Möglichkeit des Zeitraffers, das Heraussteigen aus einem vorgegebenen und gewohnten Zeitablauf, lässt manches Verborgene sichtbar werden.
Idee und Moderation:
Beate Wieland
Mitwirkende:
Kerstin Grabner, Maria Anna Niedermayr, Andreas Freudenthaler, Helmut Oberherber, Christian Füreder, Gerhard Schmidt, Gerhard Franz Gruber, Josef Kunz, Bernhard Heller, Johann Ritter, Alfred Krotz
6. Collage "gestern - heute - morgen"
Dieses Einzelprojekt stellt Lebens- und Arbeitsbiografien der Siemensmitarbeiter in den Mittelpunkt. Private Fotos und Fotos aus dem Arbeitsleben der letzten Jahrzehnte, Kataloge, Prospekte und kleine Büro-Gegenstände wurden zu einer Collage verarbeitet. Im Schneiden, Ordnen und Sichten wurden Erinnerungen wach, die Gegenwart reflektiert und die bevorstehende Zukunft antizipiert.
Idee und Moderation:
Kerstin Grabner
Mitwirkende:
Stefanie Balda, Maria Anna Niedermayr, Gerhard Schmidt, Helmut Oberherber
Interview "gestern - heute - morgen"
Im anschließenden Interview wurde über Berufswünsche, die für die Beteiligten als Kind attraktiv waren, gesprochen. Auch wie es dazu kam, das zu sein, was die Beteiligten dann geworden sind, bis hin zu jener Phase, was sie machen werden, wenn sie in Pension sind. Wesentlich dabei war, den bereits gelebten biografischen Bogen hin zu einer für die Beteiligten erfüllten Zukunft anzudenken.
Moderation:
Barbara Strametz
Ton:
Josef Gaffl
Schnitt:
Wolfgang Hoffellner
Projektpräsentationen
Um das Projekt einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurden im Mai 2006 eine Ausstellung und eine Podiumsdiskussion im Kunstraum Goethestrasse organisiert. Im Juni 2006 waren ausgewählte Arbeiten im Foyer der Firma Siemens, Linz, zu sehen. Im Oktober 2006 war ein Teil der Arbeiten in Amsterdam bei Time Based Arts im Nederlands Instituut voor Mediakunst ausgestellt. Im Zuge der Abschlusskonferenz von WAGE, wiederum im Oktober 2006 in Linz, wurde die Intention des Projekts in Form eines Workshops Interessierten nahe gebracht.
PodiumsteilnehmerInnen:
Christian Füreder (Betriebsrat Siemens), Wolfgang Schreibelmayr (Kunstuniversität Linz, Bildnerische Erziehung), Mika Cho (Gastprofessorin der Kunstuniversität Linz, Bildnerische Erziehung, USA, Korea, Künstlerin), Elfi Sonnberger (AK-Kultur, Moderation), Aillen Derieg (Übersetzerin)
Themen und Fragestellungen:
Gespräch mit Ruthe Zuntz
Im Rahmen ihrer artists in residence in Linz gab die in Berlin lebende Künstlerin im Jänner 2006 den Studierenden Einblick in ihr bisheriges künstlerisches Schaffen. Zusammen mit dem Künstler Michael Reitz war sie beim ersten Workshop (Mal- und Zeichenaktion) fotografierend dabei.
RUTHE ZUNTZ, geb. 1971 in Haifa, Israel
Grafikerin im Bereich Kultur und Erziehung bei der israelischen Armee in Tel Aviv, Israel; Studium Grafik/Gestaltung and der Hochschule der Künste (HdK), Berlin (1996-1996 Studienaufenthalt in New York, USA), 1999-2000 Lehrbeauftragte für "Interaktive Kunst" an der HdK, Berlin Stipendien für außergewöhnliche künstlerische Leistungen: Atelier-Stipendium "Parabolica Spaces", Berlin; Stipendium für Film- und Medienkunst der Akademie der Künste, Berlin; Stipendium Villa Serpentara, Olevano Romano, Italien
www.walkscreen.de