11. November 2008, 19.00 Uhr Audimax, Kollegiumgasse 2
Jörg Heiser: Duchamp und Slapstick, Avantgarde und Massenkultur
Verschiedenen Protagonisten der Kunstgeschichte – von Baudelaire über
Barnett Newman bis Ad Reinhardt – wird das Zitat zugesprochen,
Skulptur sei das, worüber man stolpert, wenn man zurück tritt, um ein
Bild anzuschauen. Impliziert ist die peinliche Erdenschwere des
Objekts gegenüber den imaginativ-retinalen Höhenflügen des Bildes (und
zwar in der Konsequenz nicht nur des Tafelbildes, sondern auch des
fotografischen, filmischen und drucktechnisch oder digital
reproduzierten Bildes). Am Beispiels des mutmaßlichen Einflusses
früher Stummfilmslapstick auf die Entstehung des Duchampschen
Readymades jedoch wandelt sich die Konstellation: nun ist es das
physische anwesende Objekt, durch das die vervielfältigten Bilder
überhaupt erst für die Kunst wirklich lesbar werden. Oder anders
gesagt: die jeweilige gattungs- oder medienspezifische Qualität wird
erst sichtbar im Spiegel der anderen Gattungen und Medien. Das hat
auch Konsequenzen für unser Verständnis von Avantgarde versus
Massenkultur: auch hier ist es so, dass die modernistischen Neuerungen
noch im Moment, in dem sie sich am meisten dem gesellschaftlichen Mainstream zu entziehen trachten, am meisten geschichtlich Zeugnis von ihm abzulegen
scheinen.
Jörg Heiser: Chefredakteur von frieze, Autor von "Plötzlich diese Übersicht. Was gute zeitgenössische Kunst ausmacht" Claassen Verlag, Berlin 2007; Kurator von "Funky Lessons" BAWAG Foundation, Wien, 2005 und "Romantic Conceptualism", Kunsthalle Nürnberg 2007.
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