Kunstwissenschaft und Gender Studies Kommentar von Prof. Dr. Barbara PAUL in den UniNachrichten, OÖN, September/Oktober 2004, S. 14:
Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Ars Electronica-Festivals wurde über die letzten als auch die nächsten 25 Jahre diskutiert. Dabei wurden zahlreiche bedenkenswerte Positionen formuliert. Allerdings hätte man sich - und dies nicht erst heuer, aber umso mehr aufgrund des in die Zukunft gerichteten Blicks - eine größere Geschlechtersensibilität gewünscht. Gemeint ist nicht allein der Anteil von Frauen unter Preistragenden, Ausstellenden und Vortragenden, sondern vielmehr die Thematisierung geschlechterbedingter Lebenspraktiken und Politikkonzeptionen wie auch Bildsprachen - mit dem Ziel, mehr Geschlechterdemokratie zu etablieren.
Die Kunstuniversität Linz ist in jüngster Zeit bestrebt, den Gender Studies, die sich mit historisch-kulturell konstruierten Geschlechterverhältnissen und deren Repräsentationsformen sowie Möglichkeiten der Dekonstruktion, aber auch alternativen Modellen beschäftigen, eine größere Bedeutung in Lehre und Forschung beizubemessen. So wurden in neuen Studienplänen, in denen die wissenschaftlich-theoretische Ausbildung im Vergleich zu früher deutlich größeren Stellenwert erhielt, Lehrveranstaltungen aus den Gender Studies fest verankert. Dies ist ausgesprochen sinnvoll, wird doch unsere visuelle Kultur noch immer oft von geschlechterhierarchisierenden Konnotationen dominiert. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Lehrbeauftragte und Studierende engagieren sich in dieser Hinsicht. Darüber hinaus wurde die letzten Herbst an der Kunstuni neu eingerichtete Professur für Kunstgeschichte und Kunsttheorie mit dem Schwerpunkt Gender Studies versehen. Diese Bestrebungen geben Anlass zu Opti-mismus. Unter der Prämisse, dass Geschlecht eine elementare Kategorie jeder Kulturtheorie darstellt, ist sie zudem als relationale Kategorie zu verstehen und in Verbindung mit Ethnizi-tät, Religion, Nation, Territorium, Alter, sexueller Orientierung und sozialer Zugehörigkeit zu behandeln - wichtige aktuelle Perspektiven der Gender, Postcolonial und Queer Studies. Feministische Denkmuster und Handlungsweisen, die sich gegen Diskriminierungen qua Geschlecht wenden, sind sehr gefragt. Der kursierende Begriff des Postfeminismus im Sinne einer nach-feministischen Zeit ist jedoch problematisch, da es historisch stets unterschiedliche Konzeptionen von Feminismus gibt.
Die Verknüpfung von Kunst, Kunstwissenschaft und Gender Studies gilt es, an der Kunstuni Linz weiter auszubauen. Diese Perspektivierung scheint infolge der einschneidenden hochschulpolitischen Veränderungen in Österreich mit Beginn des Jahres 2004 nochmals dringlicher geworden zu sein. Die Mitbestimmung, die man an den Hochschulen in den letzten Jahrzehnten für alle Kurien mühsam aufgebaut hatte, wurde weitgehend abgeschafft. Die nun neu geschaffene Form der Rektoratsuniversität stellt eine besondere Herausforderung dar, die demokratisch begründeten Dialogformen zu erhalten und zu intensivieren. Dies betrifft vor allem die Praxis der Geschlechterpolitik. Die Kunstuni wird hier ihre Chance nutzen können, wenn sie weiterhin kompetenzbezogene und kooperative Zusammenarbeit etabliert.
Univ.-Prof. Dr. phil. Barbara Paul ist Professorin für Kunstgeschichte und Kunsttheorie mit Schwerpunkt Gender Studies
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aus: Uninachrichten der OÖNachrichten, Nr.28, von September/Oktober 2004, S.14
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