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Simon Huber

Das doppelte Spiel der Didaktik Medienhistorische Sondierung der Schulkultur

Beginn des PhD Studiums: WS 2013

Betreuung:
Robert Pfaller

Didaktik als gedanklich letzte — nämlich nach wissenschaftlichen Prinzipien fortschreitende — Instanz unserer Bildungsorganisation rechtfertigt Unterricht aus der Notwendigkeit für das Leben zu lernen, obwohl schulische Praxis den Alltag versucht aufzuschieben. Sie vermittelt also zwischen den Welten, die sie voneinander scheidet.

Für dieses doppelte Spiel liefert die Tafel — aus schulischen Arrangements nicht wegzudenken — ein Denkbild, in welchem das primäre Medium didaktischen Tuns vermutet wird. Im Verhältnis zu historisch sich wandelnden Medienkonstellationen, wird das bis in die Gegenwart reichende Ringen um schulische Unterweisung verständlich.

Theorien des Spiels und Kulturgeschichte. Der Historiker Johan Huizinga setzt die Begeisterung, die Spiele hervorrufen, an den Anfang von Kultur. Gleichzeitig attestiert er der Moderne den fortschreitenden Rückzug spielerischer Haltung aus den Kulturinstitutionen. Diese zwei unverdaulichen Thesen, wie Robert Pfaller sie nennt, bilden sich in der Schule ab: Man beschwört das natürlich-kindliche Lernen, das am besten spielerisch gestaltet werde und beklagt zugleich eine zunehmende Verschulung, die genau diese anarchische Wissbegier hemmt. Noch gibt es aber keine Theorie von Schulbildung und Verschulung. Huizingas Entwurf einer Kulturgeschichte vom Spiel aus ist eine geeignete Folie, vor welcher diese Phänomene eingeordnet werden können. Er selbst hat die Besonderheit pädagogischer Kulturformen bemerkt und überlässt uns offene Fragen als Anknüpfungspunkte.

Medienarchäologie. Die ethnographische Perspektive, die Huizinga auf Kulturgeschichte eröffnet, lässt ihn für die Vergangenheit ein Spiel annehmen, wie er es aus eigener Erfahrung kennt. Er gleicht diese mit den schriftlichen Zeugnissen ab, um so die Verarbeitung des Erlebten in den Darstellungen der Spiele abzulesen. Sein blinder Fleck liegt dabei auf dem Spielzeug, welches die damit ausgetragenen Spiele ermöglicht und bedingt. Die Tafel könnte ein Spielgerät zu sein, welches Darbietungen als Unterweisung formiert, sie flüchtig und öffentlich einsichtig inszeniert. Durch ihre Unscheinbarkeit hält sie einen Schein von Voraussetzungslosigkeit als einzige Voraussetzung aufrecht: tabula rasa ist eine Zauberformel, die unvoreingenommene Sicht auf vorgelegte Argumente erwirken soll. Medienarchäologisch soll das Format untersucht werden, in welchem Wissensvermittlung anfänglich gespielt wird

Literatur. Johan Huizinga, Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, Hamburg 2009 // Simon Huber, Huizingas Circles. How to put contemporary video game culture into historical context? In: Ders., Konstantin Mitgutsch, Michael Wagner, Jeffrey Wimmer, Herbert Rosenstingl (Hg.): Context Matters! Exploring and Reframing Games in Context. Proceedings of the Vienna Games Conference 2013. New Academic Press, Wien 2013 // Ivan Illich, Schule ins Museum. Phaidros und die Folgen, Bad Heilbronn 1984 // Gloria Meynen, Über die Tafel. Das erste Universalmedium der Mathematik, in Friedrich Kittler (Hg.), Medien vor den Medien. München 2007 // Robert Pfaller, Die Illusionen der anderen. Über das Lustprinzip in der Kultur, Frankfurt a. M. 2002 // Claus Pias, Computer Spiel Welten, Zürich 2010 // Klaus Prange, Die Zeigestruktur der Erziehung. Grundriss der operativen Pädagogik. Paderborn 2005 // Alfred Schirlbauer, Didaktik. Junge Bitternis, Wien.